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Klein-Kunst in Zirkus Otto

Splitter, Kurioses und unnützes Wissen rund um die VfL-Aufstiegssaison 1996/1997.

DSF-Spiele, Kniffel-Arien, Flug-Pioniere – in bislang 16 Episoden wurden an dieser Stelle die schönsten Randgeschichten der bahnbrechenden VfL-Spielzeit 1996/1997, als die Wölfe völlig unerwartet in die Bundesliga durchstarteten, noch einmal nacherzählt. Nicht für alle Anekdoten fand sich in der Aufstiegsserie ein würdiger Platz. Was nicht für eine ganze Geschichte taugte, dennoch aber zu schade fürs Archiv ist, erscheint zum Abschluss der Textreihe deshalb noch einmal gesammelt. In zehn knackigen Daten und Fakten zur grün-weißen Fabelsaison:

Früher war ein Zehner noch automatisch ein Regisseur, der Mann mit der Fünf spielte Libero und ein Sechser trug auf dem Trikot noch die Sechs. Bis einschließlich zur Aufstiegssaison lief das genauso auch beim VfL Wolfsburg. Mit Einzug in die Bundesliga lernte Fußball-Deutschland die Wölfe dann aber so richtig kennen: Das 5:4 gegen den 1. FSV Mainz 05 war das letzte Pflichtspiel der VfL-Geschichte ohne feste Rückennummern und Namen.

Kaum lagen die Wölfe auf Bundesligakurs, da schossen schon die Spekulationen über mögliche Neuzugänge ins Kraut. Peter Wynhoff (Mönchengladbach), Altin Rraklli (Hertha BSC), Bernd Schneider (Carl Zeiss Jena), Bernd Hobsch (Werder Bremen) und Gerald Asamoah (Hannover 96) waren zeitweise besonders heiß gehandelte Namen. Tatsächlich am Elsterweg vorstellig wurde HSV-Stürmer Valdas Ivanauskaus. Kurzfristig entschied sich der Litauer, nachdem er schon mittrainiert hatte, aber bekanntlich noch einmal um.

Genau 22 Mal lief Michael Spies nach dem Aufstieg für die Grün-Weißen noch auf. Und hält damit einen nach wie vor gültigen Rekord: So ist der Strippenzieher der Reimann-Elf der bis heute einzige Spieler der Ligageschichte, der das Trikot von sieben verschiedenen Bundesligisten trug (und sogar für alle sieben ins Tor traf). „So etwas hat man in solchen Momenten überhaupt nicht auf dem Schirm, das habe ich wirklich erst nachher erfahren“, erinnert sich Spies. „Dass es so viele Klubs wurden, war auch überhaupt nicht geplant.“

Als einzigem VfL-Feldspieler (außerdem noch Reservekeeper Jörg Hoßbach) war Uwe Klein in der Spielzeit 1996/1997 kein Einsatz vergönnt. Für Staunen sorgte der Defensiv-Allrounder dafür im Wintertrainingslager an der Algarve: In der Lobby des Mannschaftsquartiers griff er eines Abends spontan in die Tasten und spielte am Hotelklavier tadellos einige Sequenzen aus Richard Claydermans „Ballade Pour Adeline“. „Ich habe früher mal Heimorgel gespielt und hatte fünf Jahre lang Unterricht“, erklärte Klein stolz den verdutzten Kollegen.

So ausgelassen man sich im Folgejahr beim Wiedersehen freute (gemeinsam feierten FCK- und VfL-Fans nach dem 4:0-Sieg der Lauterer 1998 den Pfälzer Meistercoup sowie den grün-weißen Klassenerhalt), so wenig harmonierte man in der Aufstiegssaison. Nie wieder wolle er in Wolfsburg eine Pressekonferenz besuchen, schimpfte Otto Rehhagel über das prall gefüllte VIP-Zelt am Elsterweg, solange sie in einem solchen „Zirkuszelt“ stattfinde. Beim Rückspiel am Betzenberg fauchten sich Rehhagel und Willi Reimann dann auch noch wutschnaubend an der Seitenlinie an. „Otto hat aber angefangen“, stellte der VfL-Trainer hinterher klar.

Nicht zu allen Zeiten der Aufstiegssaison – und auch nicht in den vorherigen Jahren – musste man als VfL-Fan fix sein, um Tickets für ein VfL-Heimspiel zu bekommen. Das Finale um den Aufstieg gegen Mainz brachte insofern ein Novum nach Wolfsburg: Erstmals machte sich rund um den Elsterweg für das natürlich restlos ausverkaufte Schlagerspiel ein Schwarzmarkt breit. Bis zu 600 DM wurden für einen Stehplatz bezahlt, der normalerweise 13 DM kostete.

Beste Sicht hatte im VfL-Stadion Ferdinand Piëch, der sich das entscheidende Spiel um den Bundesliga-Aufstieg bekanntlich nicht entgehen ließ. Das Foto von der grün-weißen Fanmütze, die er während des 5:4-Knallers trug, ging anschließend durch alle Gazetten. Hinterher stellte sich heraus: Ursprünglich war der Volkswagen Chef mit einem Sonnenhut erschienen, hatte sich die markante Kopfbedeckung dann kurzfristig von einem Kollegen geliehen. Heute hängt dieselbe Mütze übrigens in der Dauerausstellung der VfL-FußballWelt.

Zu den Augenzeugen an diesem 11. Juni 1997 zählten auch die Aufstiegshelden der vorherigen Generation. So war auf Einladung des VfL Wolfsburg die Mannschaft von 1992 zu Gast, die seinerzeit mit der Rückkehr in die Zweitklassigkeit einen wichtigen Grundstein gelegt hatte. Dass Peter Kleeschätzky in der Mitte von Olaf Ansorge, Frank Plagge, Heiner Pahl, Michael Geiger und Co. fehlte, hatte einen logischen Grund: Der Abräumer war noch immer für die Wölfe aktiv und sollte mit dem Aufstieg das Kunststück vollbringen, als einziger Grün-Weißer der Vereinshistorie für den VfL in den obersten drei Ligen zu spielen.

Aus aller Welt gingen nach dem Aufstieg in der Geschäftsstelle der Grün-Weißen Glückwünsche ein. Rund 100 Schreiben sammelte VfL-Geschäftsführer Wilhelm Ahrens am Faxgerät ein, der prominenteste Absender war Bundeskanzler Helmut Kohl. Für ausgelassene Freude sorgte die Vize-Meisterschaft der Wölfe aber auch auf hoher See: Per Funktelegramm meldete sich die Besatzung des Minensuchboots „Wolfsburg“ beim VfL, um der Reimann-Elf zu gratulieren. Der Kommandant und seine Crew befanden sich auf der Rückreise von einer Ausbildungsfahrt um Irland und Großbritannien.

Ganze 29 Gegentreffer fing sich Grün-Weiß im Aufstiegsjahr ein, inklusive Pokal spielte die Defensive um Uwe Zimmermann sagenhafte 16 Mal zu Null. Dass sein Tor oft wie vernagelt war, hatte „Zimbo“ zumindest in Heimspielen sogar schriftlich bekommen: „Hier regiert Zimbo-Man“ hatte ein Unbekannter bereits vor der ersten Saisonpartie am Elsterweg auf eine Latte gekritzelt. „Die Fans stehen offenbar hinter mir, das freut mich sehr“, meinte dazu der Keeper. PS.: Wer sich erinnert, der Urheber der Aktion gewesen zu sein, der möge sich bitte beim VfL Wolfsburg melden.