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Nur dabei statt mittendrin

Viele Spiele konnten die Wölfe im Aufstiegsjahr ruhmreich gewinnen. Aber keines, das live im TV lief.

Im heutigen Sprachgebrauch würde man es ein Sechs-Punkte-Spiel nennen. Als Dritter gastierte der VfL Wolfsburg beim Tabellenzweiten Hertha BSC, konnte in der nachgelagerten Partie der 19. Runde die Berliner im Tableau überholen. Es ging um ein richtig dickes Ausrufezeichen im Kampf um den Aufstieg. Dass trotz toller Leistung der Elf von Willi Reimann eine 0:1-Niederlage herauskam, konnte hingegen kaum überraschen. Denn das Montagsspiel vor knapp 15.000 Zuschauern in der gewaltigen Schüssel Olympiastadion wurde live im Deutschen Sportfernsehen (DSF) gezeigt. Und dass sie an der Mattscheibe keinen grün-weißen Sieg sehen durften, das gehörte für die VfL-Fans mittlerweile schon zum Programm.

„Keine Montagsmannschaft“

Zweikampf VfL Wolfsburg gegen Hertha BSC in der zweiten Bundesliag.„Es bleibt dabei: Wenn das DSF ein Spiel der 2. Fußball-Bundesliga überträgt, kann der VfL einfach nicht gewinnen“, stellte die Wolfsburger Allgemeine Zeitung am Tag darauf fest. Wie zutreffend diese Aussage war, konnte noch niemand erahnen. Denn tatsächlich endete an diesem 3. März 1997 in der Hauptstadt ein kurioses grün-weißes Kapitel: Zum siebten Mal lief ein Ligaspiel der Wölfe live im DSF, zum siebten Mal schaffte der VfL keinen Sieg. Da anschließend keine weitere bundesweite Direktübertragung mehr folgte, endeten die fünf Zweitligajahre auf diesem Sektor ruhmlos. Jubelnde Wölfe in Echtzeit nach Spielschluss blieben überregional vor der Erstklassigkeit unbekannt. Und ausgerechnet in der Aufstiegssaison schoss der VfL in seinen Begegnungen vor TV-Publikum nicht mal ein Tor. „Das war mir so gar nicht klar“, sagt Stefan Meißner, Stürmer am Elsterweg von 1994 bis ins erste Erstligajahr. „Im Nachhinein muss man dann wohl feststellen, dass wir einfach keine Montagsmannschaft waren.“

TV-Präsenz ohnehin selten

Interview.Meißner war aus der Amateur-Oberliga von Eintracht Braunschweig zu den Grün-Weißen gekommen. Das Zeitalter der DSF-Live-Übertragungen, das im November 1993 mit der Partie VfL Bochum gegen Hertha BSC begann, lernte er also erst in Wolfsburg kennen. Und hätte sich wie die meisten im VfL-Lager mehr solcher Gelegenheiten gewünscht. „Gerade für uns junge Spieler war das durchaus etwas Besonderes. Man war damals noch mal ganz anders angespannt, wenn man mit dem Gedanken ins Spiel ging, dass theoretisch ganz Deutschland gerade am Fernseher sitzt auch alle Freunde einem zuschauen können“, der 43-Jährige. Obwohl der VfL die Liga 1996/1997 unvermutet aufwirbelte, machte das Fernsehen um den Elsterweg aber meist einen Bogen. Ganze drei Duelle insgesamt, nämlich das Heimspiel gegen Kaiserslautern (0:0) und neben dem Gastspiel in Berlin noch die Partie in Unterhaching (0:1) liefen im TV, was VfL-Manager Peter Pander immer wieder ein großes Ärgernis war. „Es kann doch nicht wahr sein, dass unsere Mannschaft gar nicht auftaucht. Ich habe nochmals darauf aufmerksam gemacht, dass hier attraktive Spiele stattfinden“, beschwerte er sich schon Anfang 1996. Allein aus finanziellen Gründen hätte sich Pander von den Fernsehsendern damals mehr Beachtung gewünscht. „Aber auch für das bundesweite Image des VfL.“

Kein Dach und lange Wege

Kameramann.Zur Ehrenrettung der Übertragungsanstalten musste man sagen, dass der Elsterweg seinerzeit kein Paradies für Medienschaffende war, zumindest keines fürs Fernsehen. „Die Bedingungen sind großartig, besser als in der Bundesliga bei Hansa Rostock oder St. Pauli“, schwärmte ein Journalist des NDR-Hörfunk von den großen Radiokabinen. Wenn die Kollegen vom Bewegtbild mir ihrer gewaltigen Flotte an Übertragungswagen anrückten, war ihnen dagegen nicht nur die Parkplatzsituation ein Graus. Eine ungünstige Kamera-Führungsposition, der lange Weg zur Pressekonferenz und vor allem die fehlende Überdachung wurden regelmäßig moniert. „Wenn es anfängt zu regnen, muss ein Assistent immer den Schirm halten“, maulte einmal ein Kameramann. Lange Zeit scheiterten Fluchtlichtspiele vom Elsterweg zudem schlichtweg am Flutlicht, denn das wurde erst im März 1996 mit dem Heimspiel gegen Waldhof Mannheim (2:0) feierlich in Betrieb genommen.

Doch noch ein DSF-Sieg

Nichtsdestotrotz kamen die Medien, je länger die letzte Zweitligaspielzeit der Wölfe andauerte, natürlich am VfL Wolfsburg nicht mehr vorbei. Zumindest ganz, ganz zum Schluss standen alle auf der Matte. „Es ist der helle Wahnsinn, wir werden fast überrollt“, stöhnte Siegmar Kohl nach dem 3:0-Prachtsieg in Uerdingen am 33. Spieltag. Der VfL-Stadionsprecher und Organisationsleiter hatte plötzlich über 60 Anfragen von Presse und Rundfunk zu koordinieren. Um das Aufstiegsfinale gegen Mainz 05 entwickelte sich daraufhin eine Posse. Denn obwohl es im Sendeplan nicht vorgesehen war, wollte das DSF nun gern übertragen, scheiterte nach zähen Verhandlungen aber am Veto des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Auch um die Möglichkeit einer Großbildleinwand gab es ein langes Hin und Her, ehe kurzfristig noch eine sehr charmante Lösung herauskam: Auf zwei gigantischen Bildschirmen – einem im Allerpark und einem in Mainz – wurde das Knallerspiel vor jeweils gewaltiger Kulisse gezeigt. Streng genommen fand die finstere Sieglos-Serie der Wölfe damit auf den letzten Metern sogar noch ein Ende. Denn exklusiv für die Fans der Grün-Weißen und der 05er kommentiere DSF-Mann Tino Polster das 5:4-Fabelspiel live.