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Neue deutsche Welle

Ab Mitte der 90er probierten sich die Fußballklubs an ihren ersten Auftritten im Internet aus. In der heißen Phase des Aufstiegskampfs gab es auch immer mehr surfende Wölfe.

Die genaue Geburtsstunde ist schwer zu beziffern. „Irgendwann 1994/1995 muss es gewesen sein“, erinnert sich Frank Börschmann. Damit waren die Grün-Weißen, zumindest im Zweitligavergleich, verhältnismäßig früh dabei. Zunächst jedoch ohne eigenes Zutun. „Ich hatte aus Jux mal geschaut, welche Vereine im Netz schon vertreten sind. Und da ausgerechnet mein Lieblingsklub noch keine eigene Homepage hatte, fing ich damit an.“ Der erste Internet-Auftritt des VfL Wolfsburg, aus dem später die offizielle Präsenz wurde, er ging somit nicht vom Verein aus, sondern wurde gesteuert aus privater Hand. Richtig Fahrt aufnehmen sollte Börschmanns Fanseite in der Aufstiegssaison.

Kein Massenmedium

„Fußballspaß für Computerfreaks“ – der Zeitungsartikel vom Mai 1997 sagt alles: Im Jahr des Todes von Lady Di, des Jan-Ullrich-Triumphs bei der Tour de France und der „Ruck“-Rede Roman Herzogs galt das Internet noch als Nische für Technikverrückte und Nerds. Aus heutiger Sicht schier ewige Wartezeiten beim Seitenaufbau und Laden von Bildern luden die meisten Neugierigen gleich wieder aus. Noch weniger verbreitet waren solche Menschen, die aus Spaß an der Freude sogar Netzseiten programmierten. Genau so jemand war Börschmann. „Software-Entwicklung ist bis heute meine Leidenschaft. Ich habe damals Informatik studiert und war deshalb natürlich Feuer und Flamme, als es mit dem Internet langsam losging. Gleichzeitig war ich immer schon sehr großer Fußballfan.“

Mit Schere und Kopierer

Wie einst die großen Visionäre in ihren Garagen im Silicon Valley legte Börschmann von zu Hause aus los. Beim Anbieter AOL schaltete er einen Account und begann, einfache HTML-Seiten zu programmieren. Die ersten Inhalte: Fotos, Tabellen, Spielersteckbriefe und Aufstellungen, die er mit viel Herzblut und Fanliebe abtippte und ausschnibbelte, um sie digital aufzubereiten. Mit liebevollen Details wie einem stürmenden Wolf – mit Ball am Fuß und Volkswagen Logo auf der Brust – sowie einer eigenen Rubrik für sein Idol Siggi Reich kennzeichnete er das Ganze als grün-weiße Fanpage. Eine Idee, die sich herumsprach, weil es sie so zuvor nicht gegeben hatte. „Die Seite kam in meinem Umfeld ziemlich gut an, allerdings wurde die Pflege auch schnell sehr zeitintensiv. Denn ich wollte natürlich auch aktuell sein und Informationen anbieten“, so der 45-Jährige.

Anschluss an den Auftritt der Stadt

Einen großen Schritt, vor allem in Richtung Aufspürbarkeit, machte die Homepage mit dem Umzug auf den Server der Wobcom, die Anfang 1997 feierlich das neue Stadtnetz „Wobline“ in Betrieb nahm. „Damit ist Wolfsburg nun offiziell an das weltweit umsponnene Internet angeschlossen“, hieß es stolz in der Pressemitteilung. Unter der Rubrik „Sport und Kultur“ fanden die Wolfsburger User nun ein Auswahlmenü mit allen Sportarten aus dem VfL-Gesamtverein. Darunter die Fußballseiten von Börschmann, dem ersten Webmaster der VfL-Vereinsgeschichte. Was an dieser Stelle zusätzlich half, war der sportliche Erfolg. „In der letzten Zweitligasaison sind die Klickzahlen erheblich nach oben gegangen. Zum Glück hatte ich große Hilfe wie zum Beispiel die WAZ, die mich oft mit Material unterstützt hat.“ Und der VfL? „Irgendwann kam der Vorstand auf mich zu und fragte, was genau ich da mache. Daraus ist dann das Angebot entstanden, den Auftritt als offizielle Seite zu betreuen.“

Bundesliga-Aufstieg mitgemacht

Auch die heutige Homepage www.vfl-wolfsburg.de hat ihre Wurzeln also im Hause Börschmann. Sogar zu Bundesligazeiten sollte er den Wölfe-Kanal noch bespielen, ehe bald eine Agentur das Projekt übernahm. „Ab dem Moment war ich schlagartig raus. Trotzdem hat das Ganze riesigen Spaß gemacht. Und natürlich macht es mich rückblickend auch etwas stolz, dass ich meinem Lieblingsverein bei einer Sache, die heute selbstverständlich ist, mit auf die Beine geholfen habe.“ Mit Web-Technologien hat der in Salzgitter lebende Börschmann – nach wie vor glühender VfL-Fan – noch heute zu tun. Bei der Volkswagen Financial Services arbeitet er als Unterabteilungsleiter in der IT. „Mein Hobby habe ich insofern zum Beruf machen können. Ich denke, für meinen weiteren Berufsweg war die VfL-Homepage damals ein wunderbarer Einstieg“, sagt er.

Drollige Umgangsformen

Mit Hilfe einer so genannten Wayback-Maschine findet man die Mutter des heutigen Wölfe-Webauftritts im Übrigen tatsächlich noch wieder, nämlich unter ihrer zwischenzeitlichen Adresse www.wolfsburg.de/vfl. Einen verdienten Ehrenplatz fand dort seinerzeit das 5:4-Fabelspiel gegen Mainz, dem wohl das erste Online-Säbelrasseln der Vereinsgeschichte vorausgegangen sein muss. So untersuchte die WAZ am Tag des Aufstiegsspiels in einer Gegenüberstellung auch die Homepage des Gegners und musste sich über „teils deftige Grüße der Surfer“ wundern. „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht. Und wer zuletzt lacht, lacht am besten“, stichelte da ein User der 05er. Der Konter eines VfL-Fans galt nach damaliger Netzsprache als Tiefschlag: „Mainz bleibt Mainz – und damit in der 2. Liga.“